Die Sonne: Motor des Erdklimas
Der Stern, von dem wir leben, hat jedoch keinen Einfluss auf den gegenwärtigen globalen Temperaturanstieg
Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft vom 21. August 2017
Text: Helmut Hornung
Wenn die Sonne abends als roter Glutball im Meer versinkt, mag das für friedliche und entspannte Urlaubsmomente sorgen. Und noch in der Dämmerung spüren wir die wohlige Wärme, die uns die Sonne tagsüber am Strand gespendet hat. Doch unser Tagegestirn ist alles andere als harmlos. Nicht nur beschert ihre UV-Strahlung dem einen oder anderen unvorsichtigen Zeitgenossen einen saftigen Sonnenbrand. Sie selbst ist äußerst aktiv, auf ihr brodeln ständig Pakete heißen Plasmas an die Oberfläche, spritzen Gasfontänen ins All und es weht ständig ein Wind aus energiegeladenen Teilchen, der gelegentlich zum Sturm auffrischt und zur Gefahr für die sensible Elektronik von Satelliten wird.
Neben diesen alltäglichen Phänomenen gibt es längerfristige Schwankungen, welchen die Strahlungsleistung des Sterns unterworfen ist. Ursache ist das solare Magnetfeld, dessen Feldlinien im heißen, elektrisch leitenden Gas gleichsam „eingebacken“ sind. Die starken Turbulenzen verdrehen und verdrillen die Plasmaschläuche wie Gummibänder – die gelegentlich „reißen“ und dann das Magnetfeld durchwirbeln.
Diese Aktivitäten führen zu Erscheinungen wie dunklen Flecken oder hellen Fackeln; Erstere sind kühlere Regionen, Letztere Gebiete mit faserartigen Aufhellungen und heißer als ihre Umgebung. Die Anzahl der Flecken oder Fackeln ist nicht immer gleich, sondern ändert sich innerhalb von einem etwa elfjährigen Zyklus. Mit dieser Periode schwankt daher auch die Intensität der solaren Gesamtstrahlung. Im Mittel liegen diese Schwankungen bei 0,1 Prozent. Doch die Variationen können unterschiedlich stark ausfallen – je nach Wellenlänge, denn die Sonne leuchtet in vielen verschiedenen Bereichen des Spektrums. Die oben erwähnte und für das Klima besonders relevante ultraviolette Strahlung etwa variiert bei kurzen Wellenlängen um einige zehn Prozent.
Durch ihren Energieeintrag auf die Erde kann die Sonne das Klima auf unserem Planeten direkt beeinflussen. Die Atmosphäre lässt Strahlung jedoch nur in bestimmten Wellenlängen durch, vorwiegend im sichtbaren Licht; der Rest wird durch Moleküle gleichsam verschluckt. Daher gelangt nur ein Teil der Strahlung bis zur Erdoberfläche und kann diese erwärmen. Die bestrahlte Oberfläche wiederum gibt Infrarotlicht ab, das dann von Wolken oder Aerosolen zurückgehalten wird. Dieser Effekt, ohne den es auf der Erde rund 32 Grad Celsius kälter wäre, erwärmt die Atmosphäre. Das Ganze ähnelt den Verhältnissen in einem Treibhaus.
Hier kommt die ultraviolette Strahlung ins Spiel. Sie ist an unterschiedlichen chemischen Reaktionen beteiligt – wobei UV nicht gleich UV ist! So etwa fördert die Strahlung mit einer Wellenlänge unterhalb von 240 Nanometer (Millionstel Millimeter) die Bildung von Ozon, längerwelliges UV dagegen wirkt auf dieses Molekül zerstörend. Und mit der Strahlung wird bei verschiedenen Wellenlängen unterschiedlich viel Energie in die Troposphäre eingebracht, jener untersten Atmosphärenschicht, die bis ungefähr 15 Kilometer über dem Erdboden reicht.
Die Sonne gibt aber nicht nur Strahlung ab, sondern auch permanent einen Strom elektrisch geladener Teilchen, den schon erwähnten Sonnenwind. Dringen dessen Partikel in die oberen Schichten der Erdatmosphäre ein, dann schlagen sie etwa aus Stickstoff- oder Sauerstoffatomen Elektronen heraus, ionisieren sie also. Dieser Prozess hat Einfluss auf die Atmosphärenchemie – ob und wie er sich aber auch auf das Klima auswirkt, wird gegenwärtig diskutiert.
Um den Einfluss der Sonne auf das Klima zu untersuchen, blicken die Forscher in die Vergangenheit. Dabei haben sie die magnetische Aktivität des Sterns im Fokus, aus der sich die Strahlungsstärke rekonstruieren lässt. Dabei gilt, dass die Sonne in aktiven Zeiten – augenscheinlicher Hinweis sind dann viele Flecken und Fackeln – eine intensivere Strahlung produziert als während ihrer „Ruhephasen“.
Eine solche Aktivitätspause legte die Sonne beispielsweise in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ein: Zwischen 1645 und 1715 kam ihr „Motor“ gleichsam ins Stottern. Während dieser Maunder-Minimum genannten Periode waren in Europa, Nordamerika und China viele kalte Winter zu verzeichnen. Und auch im Sommer war es in manchen Regionen während dieser „Kleinen Eiszeit“ deutlich kühler. Damals entstanden Gemälde, die etwa Eisläufer auf der zugefrorenen Themse zeigen.
Beim Blick in die Vergangenheit arbeiten die Wissenschaftler sowohl mit alten Aufzeichnungen über Beobachtungen von Sonnenflecken (ab dem Jahr 1610), als auch mit der C-14-Methode, die sich insbesondere auf Holz anwenden lässt. Denn der Eintrag von Kohlenstoff-14 am Boden (Bäume) ist nicht konstant, sondern ändert sich ebenfalls mit der Sonnenaktivität. Dieses radioaktive Isotop entsteht, wenn in den oberen Schichten der Erdatmosphäre die sogenannte kosmische Strahlung auf ein Luftmolekül trifft.
Das solare Magnetfeld erstreckt sich durch das gesamte Planetensystem und schirmt die kosmische Strahlung teilweise ab. Schwankt das Magnetfeld, ändert sich auch die Produktion von C-14. Auf diese Weise ist die Altersabweichung zwischen Baumringen und C-14-Alter ein Maß für die magnetische Aktivität und damit letztlich für die Strahlungsleistung der Sonne.
Wie stark beeinflusst die Sonne nun aktuell das Klima? Fest steht, dass es auf der Erde in den vergangenen 100 Jahren um ein knappes Grad Celsius wärmer geworden ist. Allein in den vergangenen 30 Jahren sind die Temperaturen in einem Maß gestiegen wie seit 1000 Jahren nicht mehr. Tatsache ist auch, dass die Konzentration von Kohlendioxid seit Beginn der Industrialisierung ab Mitte des 18. Jahrhunderts um 30 Prozent zugenommen hat.
Während der ganzen Zeit sind auf der Sonne periodische Aktivitätsschwankungen aufgetreten. Und in den vergangenen 30 oder 40 Jahren hat es mit Sicherheit keine Zunahme der Sonnenhelligkeit gegeben, eher eine leichte Abnahme. Damit kann die Sonne auch keinen Beitrag zur globalen Erwärmung leisten. In der Tat lässt sich der Temperaturanstieg der vergangenen Jahrzehnte in Modellrechnungen nicht reproduzieren, wenn man nur den Einfluss der Sonne oder anderer natürlicher Quellen (etwa Vulkanausbrüche) berücksichtigt. Erst wenn man in den Klimadaten anthropogene, also menschengemachte Faktoren einbringt, stimmen sie mit den Beobachtungs- und Messdaten überein.
So kommen die Forscher zu dem Fazit, dass sich der Anstieg der globalen Temperaturen seit den 1970er-Jahren nicht mit der Sonne erklären lässt. Der beobachtete Temperaturtrend über die vergangenen drei Jahrzehnte ist linear – wie man es durch die steigende Treibhausgaskonzentration erwartet. Kurz: Der Einfluss des Menschen auf das Klima ist um ein Vielfaches höher als jener der Sonne.
Umgekehrt hält auch die Meinung mancher Wissenschaftler, eine gegenwärtig insgesamt eher abnehmende Sonnenaktivität werde der globalen Erderwärmung entgegenwirken, einer genauen Prüfung nicht stand. Denn die Erderwärmung ist Fakt und schreitet voran. Dass die Sonne hingegen langfristig das Klimageschehen beeinflusst, scheint möglich. Das exakte Ausmaß sowie die genauen Wirkungsmechanismen sind aber noch unklar.
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