ESO entdeckt Galaxien, gefangen im schwarzen Netz
Teleskop der ESO entdeckt Galaxien im Netz eines gigantischen schwarzen Lochs
Wissenschaftler um Marco Mignoli vom Nationalen Institut für Astrophysik (INAF) in Bologna entdeckten mit dem Very Large Telescope der ESO eine völlig neue Struktur im Universum: Sechs Galaxien, die sich um ein supermassereiches Loch gruppieren.
Schwarze Löcher gelten als besonders exotische Objekte des Universums. Diese kosmischen Schwerkraftfallen verleiben sich alle Materie ein, die ihnen zu nahekommt. Ihre Gravitation ist so stark, dass selbst das Licht nicht mehr entweichen kann. Obwohl sich schwarze Löcher mit nur drei Parametern beschreiben lassen – Masse, Ladung und Drehimpuls – bleiben viele Fragen um die Natur dieser Objekte offen.
So blieb es bisher rätselhaft, auf welche Weise supermassereiche schwarze Löcher, wie das im Zentrum der Galaxis, so schnell auf ihre enorme Größe anwachsen konnten. Die Entdeckung von sechs Galaxien, gefangen im Netz eines schwarzen Lochs, könnte eine Antwort auf diese kosmologisch bedeutsame Frage geben. Das von den Astronomen beobachtete Szenario spielte sich nur 900 Millionen Jahre nach dem Urknall ab. Wegen der endlichen Lichtgeschwindigkeit ist diese Beobachtung ein Blick in eine Vergangenheit, als unser Universum noch sehr jung war.
Supermassereiche schwarze Löcher sind „extreme Systeme, für deren Existenz wir bisher keine gute Erklärung hatten“, so Marco Mignoli, Hauptautor dieser Forschungsarbeit.
Die sechs beobachteten Galaxien, welche das schwarze Loch umgeben, sind gleichsam eingebettet in einem kosmischen Spinnennetz aus Gas. Dieses Geflecht ist von unvorstellbarer Größe und beträgt etwa die 300-fache Größe unserer Milchstraße. Die Struktur vergleicht Mignoli mit den Fäden eines Spinnennetzes. Die Kreuzungspunkte dieser Filamente sind die Geburtsstätte von Galaxien. Die zur Entstehung und dem Wachstum erforderliche Materie erfolgt nach Ansicht der Wissenschaftler durch Gasströme, die entlang der „Spinnenfäden“ fließen.
Die in der Frühzeit des Universums sich bildenden schwarzen Löcher, entstanden durch den Gravitationskollaps der ersten Sterne, sind in nur 900 Millionen Jahren auf eine Masse angewachsen, die der von einer Milliarden Sonnenmassen entspricht. Woher nehmen diese alles verschlingenden kosmischen Monster ihre „Nahrung“, um so schnell zu enormer Größe und Masse heranwachsen zu können? Eine Frage, auf die Astronomen und Kosmologen bisher vergeblich eine befriedigende Antwort suchten. Die jetzt gefundene Struktur liefert eine gute Erklärung. Die Materie in den Filamenten und in den Galaxien enthalten ausreichend Gas, um das im Zentrum befindliche Loch ausreichend mit Materie zu „füttern“.
Für die Astronomen galt nun noch die Frage zu klären, wie diese großräumigen Strukturen entstanden sind. Hier könnte die dunkle Materie eine Schlüsselrolle spielen. Durch ihre gravitative Wirkung hat sie das in riesigen Mengen vorkommende Gas angezogen. Das Zusammenspiel von Gas und dunkler Materie führte schließlich zur Bildung der netzartigen Strukturen.
Die Helligkeit der entdeckten Galaxien liegt an der Grenze heutiger Beobachtungstechnik. Barbara Balmaverde, Astronomin am INAF in Turin ist deshalb überzeugt, „dass wir gerade die Spitze des Eisbergs gesehen haben und dass die wenigen Galaxien, die bisher um dieses supermassereiche Loch entdeckt wurden, nur die hellsten sind“.
Für weiterreichende Beobachtungen setzen die Wissenschaftler ihre Hoffnung auf das noch im Bau befindliche Extremely Large Telescope der ESO in Chile.
Diese Videosequenz zoomt in das Netz des supermassereichen schwarzen Lochs, das im frühen Universum mit sechs darin eingeschlossenen Galaxien gefunden wurde.
Herkunftsnachweis:
ESO/Digitized Sky Survey 2/N. Risinger (skysurvey.org). Music: Astral Electronics
Quelle: Pressemitteilung der ESO eso2016de vom 01. Oktober 2020